Angst zu versagen, wer kennt sie nicht.
Ein Versager genannt zu werden, wer will das schon.
Sich selbst als Versager fühlen, das tut niemand gern. Oder doch?
Prüfungsängste sind daran gekoppelt, schädliche Frequenzketten, Täter-Opfer-Spielfelder, endlose Reihen tragischster Ideen binden an das Feld „Versagen“. Die Konnotierung des Begriffes ist eine der Ursachen für viel unnötiges Leid und Behinderungen im Rahmen von menschlichen Erfahrungsmöglichkeiten. Dabei wissen wir doch „eigentlich alle“, dass Versagen und Scheitern unabdingbare Erlebnisse für Wachstum sind. Sie basieren auf der menschlichen Trial-and-Error-Programmierung, bei der so lange mögliche Lösungen für ein Problem durchgespielt werden bis eine adäquate und in Frieden stellende gefunden wird. Dabei arbeiten die gängigen Wissenschaftsbereiche ganz bewusst mit der Option, Fehlschläge in Kauf zu nehmen. Der einzige Unterschied zum menschlichen Versagen ist die direkte Verkettung mit diversen Angstkonstruktionen.
Erst versagen, dann verzagen
Genährt durch die Massen-Mediensprachwahl bei großen Dramen und Katastrophen („… die Unfallursache ist auf menschliches Versagen zurückzuführen“) als auch die bewusste Prägung im Kindesalter („Aber enttäusche mich bloß nicht“), Leistungsdruck („Du hast nur diesen einen Versuch, dann war’s das“) und das Wirtschaftssystem als solches, das auf Macht über andere ausgelegt ist, hat das Versagensfeld längst jede Balance verloren und eine überaus starke Brücke zu Verzagen gebildet. Wer diese Brückenverbindung nutzt, dem wird gleichsam die Kraft entzogen, überhaupt etwas anderes als das zum Scheitern Verurteilte auszuprobieren oder einen anderen Weg zu gehen. Es kommt zur Resignation, der Mut zum Probieren und Wagen wird im Keim erstickt und macht damit jeden Handlungsspielraum zunichte, zu, zu, alles zu. Verzagen ist eine Sackgasse der Stagnation in Angstmustern. Um diese Brücke einreißen und damit gleichsam dem Kollektiv wieder den nötigen Mut für neue Ideen und Herangehensweisen schenken können, bedarf es einer Neukonnotierung durch echte Versager, was dem Erinnern an dessen wahre Bedeutung gleich kommt.
Versagen hat im menschlichen Sprachgebrauch momentan zwei Hauptbedeutungen:
1.) etwas verweigern
und
2.) nicht das Erwartete leisten
Dem Gegenüber etwas nicht geben wollen ist in der Wortwahl des Versagens so obsolet geworden, dass es das Kollektiv ziemlich wertungsfrei und neutral benutzen kann. Weiterführend können wir es sogar durch die direkte Verbindung der beiden Definitionen als Werkzeug zur Umgestaltung des Feldes einsetzen, denn etwas bewusst verweigern und damit nicht leisten ist die Kehrseite zu „nicht das Erwartete leisten“ im Sinne von „dem Anspruch nicht genügen“.
„Nicht das Erwartete leisten“ trifft den Kern der Negativ-Behaftung sehr gut, denn hier prallen Erwartungshaltung und Ent-Täuschungspotential direkt aufeinander. Erwartungshaltungen entstehen durch vorgefertigte Frequenzkettenmuster und können nicht anders als ent-täuscht und damit als das was sie sind entlarvt werden: Auf Mangel und Angst gründende Gedankenmuster und Spekulationen. Ist das menschliche Gegenüber bereits in dieser eng machenden Haltung, wird es dem anderen nahezu unmöglich gemacht, dieser förderlich zu dienen. Alles sträubt sich dagegen, Ungleichgewicht im Austausch entsteht und beide Menschen befinden sich in der Interaktion nicht mehr im Fluss. Fehlt hier die nötige Aufmerksamkeit entstehen Täter-Opfer-Profile, Energievampirismus, gegenseitige Ablehnung und toxische Abhängigkeiten. Viele alte Mutterprogramme arbeiten mit eben diesen Abhängigkeiten, bei denen sich die Kinder meist als Versager betrachten, egal wie gut sie sind und egal, wie viel sie leisten. Aus diesen Abhängigkeiten wieder herauszukommen setzt sozusagen den willentlichen Einsatz des echten Versagens voraus und wir nutzen als Tool Bedeutung 1: ICH VERWEIGERE/VERSAGE DIR DAS VON DIR ERWARTETE! ICH ENTTÄUSCHE DICH IN VOLLEM BEWUSSTSEIN! Damit wir uns wieder im Fluss begegnen können und wir keine Angstkette nähren.
Neukonnotierung des Feldes durch echte Versager
Warum können nun besonders Versager dieses Feld für das gesamte Kollektiv zum Benefit aller ändern? Weil nur sie die nötige Erfahrung besitzen. Wer keine oder kaum Erfahrung mit Versagen gemacht hat, der kennt nicht die Konsequenzen und der wird sie auch nicht mit der gleichen Kraft willentlich verweigern. Gezieltes Versagen übt so, beide Seiten der Medaille vom Rand aus betrachten können und damit das Gesamtfeld innerhalb kürzester Zeit wieder in Harmonie schwingen lassen.
Es ist eine Herausforderung für jeden empfindsamen Menschen entgegen seiner Prägung zu handeln, denn Verweigerung schafft immer auch die Möglichkeit des Verletzens und wer verletzt schon gern das, was er liebt. Es braucht viel Praxiserfahrung im Erlernen gezielten Versagens und Enttäuschens. Dazu kommt, dass es dort, wo am meisten Liebe vorherrscht, in der Partnerschaft, in der Familie, gleichzeitig die größte Hemmung besteht mit Versagen zu arbeiten und zu wirken. Was aber bei dieser Herangehensweise die nötige Motivation liefert, ist, die Folgen von negativ konnotiertem Versagen zu kennen und diese nicht an seine Mitmenschen weiter geben wollen.
Ist das Feld im eigenen System bereinigt, in der Partnerschaft bereinigt, in der Familie, sogar in kleinen Gemeinschaften, so können komplett neue und freie Wege gegangen werden, bei denen es wieder möglich ist, die Option des Versagens gerne in Kauf zu nehmen, weil nur dann die beste Lösung gefunden werden kann. Neuartige Lösungen entstehen gerade dann, wenn vorher ordentlich versagt wurde. Und wenn die Ausgangsbasis eine ganz andere ist und ohne Druck und Erwartungshaltung ausprobiert werden kann, dann ist Versagen endlich wieder das, was es in Wahrheit ist: eine interessante und nützliche Erfahrungsweise im Wirkfeld.